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Diese Artikel
erschienen in der TAZ
vom 09.12.1998
.Wechselhafte Technologiepolitik

Wechselhafte Technologiepolitik

Nur Verschlüsselungstechniken machen Elektropost sicher. Die USA wollen den Export der Technik beschränken, Bonn war bisher dagegen. Nun kam es zu umstrittenen Vereinbarungen.

Die neue Bundesregierung plant offenbar, dem Druck der US-Regierung nachzugeben und sichere Verschlüsselungsverfahren für elektronische Post mit Sanktionen zu belegen. Am 3. Dezember stimmte sie in Wien einem Abkommen im Rahmen des "Wassenaar Arrangements" zu. Dies verpflichtet sie, den Export wirkungsvoller Verschlüsselung (Kryptographie) strikt zu kontrollieren. Die Zustimmung zu dem Vertrag steht in scharfem Gegensatz zu der Empfehlung der Medien-Enquetekommission des Bundestages vom Juni dieses Jahres.

Nach eigener Darstellung hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Verankerung von Kryptobeschränkungen verhindert. Es gebe kein Exportverbot für Verschlüsselungschips oder Software für die Kryptographie in Computern. Auch eine Pflicht, einen Nachschlüssel bei den Behörden zu hinterlegen, sei abgewehrt worden.
Im September 1996 vereinbarten die Vertreter von 33 Ländern, darunter die USA, Japan und Deutschland, den Transfer konventioneller Waffen und Militärtechnologien zu überwachen. Das "Wassenaar Arrangement" trat an die Stelle der Cocom-Liste, die vor dem Zusammenbruch des Ostblocks Güter aufführte, die nicht dorthin geliefert werden durften. In den USA werden Programme zum Verschlüsseln seit jeher wie Waffen behandelt.
Die US-Regierung hatte David Aaron als Sondergesandten für Kryptographie nach Deutschland geschickt, um ihre Position der neuen Regierung schmackhaft zu machen. Nach der Abmachung vom letzten Donnerstag rühmten sich Vertreter der Regierung Clinton, sie hätten "die anderen führenden Länder" überzeugt.
Den Amerikanern und insbesondere ihrem Geheimdienst National Security Agency (NSA) sind "starke", das heißt unknackbare Kodierverfahren für elektronische Kommunikation sehr unangenehm. Sie drängen darauf, das Verfahren des "key recovery" zum Standard zu erheben: Ein Generalschlüssel muß bei einem "Trust Center", einer Behörde, die die jeweilige Regierung für vertrauenswürdig hält, hinterlegt werden. Gängige Software jedoch, wie das im Internet gratis angebotene Programm Pretty Good Privacy arbeitet mit dem Prinzip zweier asymmetrischer Schlüssel, einem öffentlichen und einem privaten, es gibt keinen Generalschlüssel. Elektronische Post, mit diesem Verfahren verschlüsselt, ist aus mathematischen Gründen nicht zu dekodieren - nur vom Empfänger. Die Verfahren, die die Amerikaner erlauben wollen - mit einer Schlüssellänge von maximal 64 Bit -, sind für jeden gängigen Heimcomputer eine Unterforderung.
Es existiert zwar ein Aktionsprogramm, das den Einsatz kryptographischer Verfahren fördern soll, aber ob diese "stark" sein werden oder ob die Industrie gezwungen wird, Software mit einer Hintertür für Geheimdienste wie die NSA zu benutzen, das ist nach der Unterschrift unter das Abkommen von letzter Woche wieder offen. Effektive Methoden des Handels per Internet und E-Cash können nicht entwickelt werden, wenn nicht klar ist, wie die vertraulich übermittelten Daten vor dem Zugriff Fremder geschützt werden.
Hans-Josef Fell, der forschungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, sagt, er sei "mit dem Vorgang nicht befaßt". Fell wurde weder von der Unterschrift der Bundesregierung unter den Vertrag informiert noch kennt er das Wassenaar-Abkommen.

"Der digitale Lauschangriff kommt"

Der Technologie-Experte und Grünen-Politiker Manuel Kiper kritisiert, daß Bonn der US-Politik zu Verschlüsselungstechniken nachgeben will.

taz: Die Bundesregierung will sich der US-amerikanischen Politik beugen, die den Export wirkungsvoller Verschlüsselungstechniken, also Kryptographie, verbieten möchte. Wie beurteilen Sie das?
Manuel Kiper: Mir scheint, einige Leute in der neuen Regierung haben geschlafen und nicht verstanden, um was es ging: Die Arbeit der Medien-Enquetekommission des Bundestages wird mit der Unterschrift unter das Wassenaar-Abkommen konterkariert. Die Kommission empfahl im Juni einmütig und parteiübergreifend: Alle Maßnahmen, die einer breiten Nutzung starker Verschlüsselungsverfahren entgegenstünden, müssten vermieden beziehungsweise abgebaut werden.

Welche Interessen verfolgen die USA mit ihrer Politik?
Unmittelbar nach dem Regierungswechsel versuchte der amerikanische Sonderbotschafter Innenminister Schily auf US-Kurs zu bringen. Nach dem Großen Lauschangriff kommt nun der digitale. Die USA wissen, daß demjenigen die Zukunft und die Macht gehören, der Informationen abhören kann. Sie kamen in den letzten Jahren ins Hintertreffen und wollen die Führung in der Krypto-Politik wieder an sich reißen - nicht nur überwachungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich.

Der Entwurf einer Überwachungsverordnung für die Telekommunikation, die der ehemalige Innenminister Kanther im Hauruck-Verfahren durchsetzen wollte, hat damals bei der Industrie blankes Entsetzen ausgelöst.
Die deutsche Industrie hat zu oft versucht, sich durch Wohlverhalten zu profilieren. Erst als das Kind in den Brunnen gefallen war und es noch schlimmer war, als alle befürchteten, haben sie rebelliert. Man kann nur hoffen, daß die Wirtschaft jetzt nicht stillhält, sondern aufwacht. Wer starke Kryptographie verbietet, muß erhebliche Sicherheits- und Kostenrisiken in Kauf nehmen. Das Prinzip des key recovery ist mit den nationalen Sicherheitsinteressen unvereinbar.

Haben die Parlamentarier von Bündnis 90/Die Grünen geschlafen?
Einige scheinen zu glauben, daß Technikpolitik nur etwas für Liebhaber ist. Technologie ist kein Feld, sich politisch zu profilieren. Deswegen beschäftigen sich leider nur wenige damit.

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